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17.

Sep 2013

~nia

Sleeves

Sleeves ist für Leser unter 18 Jahren nicht geeignet.

In dem Nachtclub Sleeves lässt sich Kel jeden Abend in einen Käfig voller Ketten sperren. Frauen stellen den Großteil des Publikums und ein oder zwei dürfen ihn pro Abend sogar anfassen. Oft nur durch Tücher oder seine Klamotten hindurch, manchmal aber auch seine Haut und das dann auch überall. Die Aufgabe ist immer dieselbe, seine Ketten zu sprengen. Die Frauen fahren voll auf ihn ab und versuchen alles, um ausgewählt zu werden, um ihn nahe sein zu dürfen und ihr Glück mit den Ketten zu versuchen. Dabei ist Kel kein bisschen nett zu ihnen, sondern rüde, vulgär und ungehobelt.
Casey landet eher zufällig im Sleeves, denn ihre Arbeitskolleginnen lassen ihr keine Ruhe, bis sie sich diese Bild von einem Mann auch mal angeguckt hat. Und obwohl sie sich an der Bar versteckt, wählt Kel ausgerechnet Casey aus, ihm im Käfig Gesellschaft zu leisten. Casey weiß erst nicht, was sie mit diesem seltsamen Mann anfangen soll, sieht aber sofort, dass sich Kel hinter einer Fassade aus Aggressivität versteckt, um sein geschundenes Selbst zu verbergen. Als Casey Kel anfasst passiert das, was keiner von beiden erwartet hätte: Sie schaffen eine Verbindung zwischen sich, die ihr Leben völlig auf den Kopf stellen wird...

Was soll ich zu Sleeves sagen. Die Geschichte von Chanse Lowell hat zunächst sehr vielversprechend angefangen. Die erste Begegnung zwischen Casey und Kel ist atemberaubend. Auch das Nachtclubkonstrukt mit dem Käfig, den außer Rand und Band geratenen Frauen und dem mysteriösen Kel wirft zunächst eine Menge Fragen auf, die man als Leser(in) natürlich beantwortet bekommen möchte. Doch leider hat das Buch damit sein Pulver auch schon fast verschossen. Ja, es gibt noch einige heiße Sexszenen und ja, die Geschichte um Kel ist wirklich mysteriös. Doch neben viel Schmalz und Sex ist die eigentliche Geschichte hektisch, wirr und extrem unlogisch noch dazu. Es kam soweit, dass ich irgendwann kopfschüttelnd über dem Buch saß. Dabei bin ich bei erotischen Geschichten noch am ehesten bereit, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen...

An Sleeves haben mich gleich mehrere Dinge gestört:
Zunächst ist da der Wortschatz mit dem Kel so um sich wirft. Wie es dazu kommen kann, dass eine Horde Frauen sich von einem wildfremden Mann auf's Derbste beschimpfen lässt und dafür noch Geld bezahlt, ist mir absolut schleierhaft. Das Netteste was er so zu sagen hat, ist Hure oder Schlampe. Wenn er erst mal unterhalb der Gürtellinie anfängt, geht es richtig los. Doch als wäre das alles nicht schlimm genug, betitelt er auch Casey, die tatsächlich sein Herz erwärmt, regelmäßig mit solchen Ausdrücken. Hätte ich Sleeves auf Deutsch gelesen, hätte ich es vermutlich nicht ausgehalten und abgebrochen. So konnte ich doch noch eine gewisse Distanz zu ihm und seiner großen Klappe halten. Dennoch hätte er meiner Meinung nach ein Einseifen à la Lucky Luke verdient gehabt.

Zu Beginn fand ich die Tatsache, dass Kel Berührungen von Menschen braucht, obwohl sie ihm Schmerzen verursachen, noch interessant. Da wollte ich wissen, welche wissenschafltiche, fantastische oder Science-Fiction-Geschichte sich dahinter verbirgt. Leider war die Auflösung bezüglich der Berührungen total lahm und das ganze wissenschaftliche Konstrukt dahinter unlogisch und absurd. Hier will ich nicht zu viel verraten, doch ein kleiner Spoiler muss an dieser Stelle sein. ACHTUNG SPOILER
Wie kann jemand, der seine Kindheit und Jugend mehr oder weniger als Versuchskaninchen verbracht hat und anscheinend keinerlei Schulbildung erhalten hat, über außergewöhnliche molekularbiologische Kenntnisse verfügen? Natürlich findet die Person dann auch innerhalb von wenigen Tagen ein Gegenmittel, was den FBI-Wissenschaftlern über Jahre nicht gelungen ist. Alles total logisch, oder? Und damit habt ihr jetzt nur einen Blick auf die Spitze des Eisberges in Sleeves erhalten. SPOILER ENDE.

Besonders aufgeregt hat mich dann aber noch etwas anderes an Sleeves - und zwar die Liebesgeschichte. Casey ist Sozialarbeiterin und eine Seele von Mensch. Dass sie total darauf abfährt, von Kel als Hure und ähnliches bezeichnet zu werden, mag ja noch sein, denn sexuelle Geschmäcker sind verschieden. Doch dass sie sich gleich nach dem best Sex ever total in ihn verliebt, obwohl sie ihn noch kaum kennt, fand ich bei der Charakterkonstellation schon schwierig. Aber Casey blickt ja direkt in Kels Herz und lässt sich von seiner Arschloch-Attitüde nicht weiter beeindrucken. Im weiteren Handlungsverlauf macht Kel jedoch eine Sache, die so einfach gar nicht geht. Nie, nicht, never! Doch natürlich verzeiht Casey ihm binnen Stunden, weil er sie ja liebt und es nur gut gemeint hat und ... rhabarber, rhabarber, rhabarber. Da ist mir echt ganz anders geworden und ich habe mich arg an das Lesegefühl von Beautiful Disaster erinnert gefühlt.

Fazit: Guten Gewissens kann ich dieses selbstpublizierte Werk von Chanse Lowell niemandem empfehlen. Unterhaltsam finden Sleeves vielleicht Leser, die auf explizite Sexszenen und Vulgärsprache stehen und denen eine stringente Geschichte nicht so wichtig ist. Ich persönlich mag dirty talk à la Sinners on Tour bei Sexszenen wirklich gerne. Doch wenn sich eine Person auch in der Öffentlichkeit nicht anders ausdrückt, dann finde ich das wenig sozial, bemitleidenswert und alles andere als anregend. Wenn der Story dann auch noch Charme und Logik fehlen, ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Den halben Stern zusätzlich gibt es gnadenhalber für den guten Start und für die Tatsache, dass ich das Buch trotzdem unbedingt zu Ende lesen musste. Sleeves hatte wirklich was von einer richtig schlechten Seifenoper: man will sie nicht gucken, kommt aber trotzdem nicht davon los, wenn sie einmal läuft.

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