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05.

Jul 2015

~ND

Racing the Sun

Als Amber vor Monaten ihre Heimat Kalifornien verlassen hat, um die Welt zu reisen, wollte sie diese Zeit eigentlich nutzen, um sich selbst zu finden. Sie war in Neuseeland, Australien, Asien und hat mittlerweile auch fast ganz Europa gesehen. Und tatsächlich hat die einst eher schüchterne Amber positive Veränderungen an sich entdeckt. Zumindest ein paar.
Doch im Grunde weiß sie immer noch nicht so richtig, was sie vom Leben eigentlich will. Nur eines ist gewiss: Sie will nicht wie ihre Eltern enden, in einer Zweckehe und einem sicheren Job, nur um hinterher sagen zu können, dass sie "Erwachsen geworden" ist. Sie kann nicht zurück in ihr altes Leben. Allerdings steht Amber nun vor einem großen Problem, denn langsam aber sicher hat sie kein Geld mehr. All ihr Erspartes ist für ihre Reisen drauf gegangen und von ihren Eltern kann sie auch nicht mehr auf Unterstützung hoffen, denn die halten es für höchste Zeit, dass ihre Tochter nach Hause kommt. Selbst wenn sie wollte, momentan könnte sie sich nicht mal ein Flugticket nach Hause leisten.
So oder so, Amber braucht einen Job - und der findet sich auch schneller als gedacht. In einem Anwesen auf Capri wird eine Englischlehrerin für ein 7-jähriges Zwillingspaar gesucht. Amber hat zwar noch nie unterrichtet und mit Kindern hat sie auch keine Erfahrung, aber wie schwer kann es schon sein?
Als sie allerdings in der Villa dei Limoni Tristi (Villa der traurigen Zitronen) ankommt, muss sie feststellen, dass der Name dem Haus alle Ehre macht. Eine Tragödie hat die Familie vor zwei Jahren auseinandergerissen und ist an keinem der Bewohner spurlos vorbeigegangen. Die Zwillinge sind launisch und machen Amber das Leben schwer wo sie nur können und die einzige andere Angestellte ist eine grantige und wortkarge Haushälterin. Das wirkliche Mysterium ist aber der große Bruder der Zwillinge und Herr des Hauses, Desiderio Larosa. Er mag vielleicht aussehen, wie ein Supermodel, hat aber die Sozialkompetenz eines Steins und Amber gerät regelmäßig mit ihm aneinander. Doch je mehr sie über die traurige Geschichte der Familie erfährt, umso mehr möchte sie den Geschwistern helfen, vor allem dem jungen, gebrochenen Mann, den sie schon bald hinter Derios kühler und rauer Fassade durchschimmern sieht...

Wer Karina Halles Buch Where Sea Meets Sky gelesen hat, dem dürfte Amber MacLean bereits ein Begriff sein. Dort haben wir sie mit Josh und Gemma durch Neuseeland reisen sehen. Mit Racing the Sun widmet sich die Autorin nun Ambers eigener Geschichte.
Als Amber ihre neue Stelle als Englischlehrerin antritt, sieht sie es zunächst nur als Mittel zum Zweck. Sie braucht Geld und auch wenn der Job nicht übermäßig gut bezahlt ist, ist es zumindest ein guter Anfang. Doch es dauert nicht lange, bis sie mitten in diese dysfunktionale Familie gesogen wird - und dann ist sie mit Herz und Seele bei der Sache. Nicht zuletzt deswegen mochte ich Amber sehr gern. Sie ist ehrlich bemüht den Geschwistern zu helfen. Die sind allerdings erstmal noch ein bisschen widerspenstig - die Kinder machen es ihr alles andere als einfach und sie ist sich ziemlich sicher, dass ihr Boss Derio sie nicht sonderlich leiden kann. Doch ganz langsam aber sicher, fallen die Mauern, die alle Beteiligten um sich herum aufgebaut haben. Das ist allerdings erst der Anfang, denn die Probleme dieser jungen Familie reichen tief.
Doch auch sie mochte ich sehr gern. Die Zwillinge sind zwar in der Tat ein wenig schwierig, allerdings kann man ihnen das leicht verzeihen, wenn man bedenkt, was sie durchmachen. Es gibt mehr als eine Szene, in der man die beiden einfach nur drücken möchte. Es ist kein Wunder, dass es Amber, die bis dahin nicht gerade für ihre Mutterinstinkte bekannt war, da recht ähnlich ging. Doch der wirklich interessante Charakter ist natürlich Desiderio. Der frühere Motorradrennfahrer verbringt die meiste Zeit eingeschlossen in seinem Arbeitszimmer und Amber hat keine Ahnung, was er da tut. Trotzdem hat es auch bei Derio nicht lange gedauert, bis auch er mir sehr sympathisch wurde, was mich natürlich nur noch neugieriger über ihn gemacht hat. Die Romantik wird natürlich ganz groß geschrieben, auch wenn sich die Autorin viel Zeit lässt, bis sich wirklich etwas tut zwischen ihren beiden Protagonisten.
Wie immer steht aber auch das Reisen bei Karina Halle sehr im Vordergrund. Italien und vor allem Capri hat die Autorin ausführlich bereist (hier gibt es sogar einen Reiseblog dazu) und die Landschaft und Stimmung in ihrem Buch wirklich wunderbar eingefangen. Natürlich klappert sie auch ein paar der typischen Klischees über Italien/Italiener ab, die sich ihrer Erfahrung nach bestätigt haben oder eben nicht, und hat mich damit immer wieder zum Lachen gebracht. Außerdem musste ich ständig die ganzen wunderschönen Orte googlen, die Amber besucht, und muss sagen, dass Karina Halle ganze Arbeit geleistet hat, diese zum Leben zu erwecken.

Es gibt eigentlich nur zwei Punkte, an denen ich nicht ganz zufrieden mit Racing the Sun war, und das hatte beides mit einer etwas zu schnellen Entwicklung zu tun. Zum einen ist Derios Wandel, nachdem Amber endlich zum ihm durchdringen konnte, für mich ein wenig zu komplett gewesen. Er war fast wie ein anderer Mensch, was zwar sehr schön zu sehen, aber vielleicht ein wenig zu einfach gelöst war. Ein wenig mehr Konflikt bzw. ein langsamerer Wandel wäre hier vielleicht etwas realistischer gewesen.
Die zweite Stelle ist ähnlich, aber wesentlich später in der Geschichte, weswegen ich dazu eigentlich nicht viel sagen will. Allerdings betraf es in dem Fall Amber, deren Gemütszustand sich an dieser Stelle für mein Gefühl etwas zu schnell und nicht ihrem Charakter getreu geändert hat.

Doch all das konnte ich problemlos verzeihen, denn unterm Strich ist Racing the Sun von Karina Halle eine wirklich schöne Geschichte über zweite Chancen und Neuanfänge. Vor der wunderschönen Kulisse Capris hat die Autorin eine romantische, witzige und manchmal leichte, manchmal traurige Geschichte geschaffen, die ein perfektes Buch für den Sommer abgibt.

Racing the Sun erscheint am 28. Juli 2015.

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