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02.

Feb 2012

~nia

Der Koch

Maravan ist ein tamilischer Hilfskoch aus Sri Lanka, der in dem Züricher Sternelokal Huwyler als Tellerwäscher und Mädchen für alles eingestellt ist. Dass der leidenschaftliche und begnadete Koch Maravan mehr drauf hat als alle Köche im Huwyler zusammen, nimmt einzig die Servicekollegin Andrea wahr. Als Maravan sich den Rotationsverdampfer des Lokals ungefragt ausleiht, um Andrea mit einem aryuvedischen erotischen Essen nach dem Rezept seiner Großtante zu bezirzen, wird er tags darauf gefeuert.

Andrea, die wegen der Geschichte eigentlich ziemlich sauer auf Maravan ist, ist von der Wirkung des Menüs dennoch überrascht. Schließlich überredet sie Maravan, zusammen eine Catering-Firma für Liebesmenüs zu gründen. 'Love Food' kocht zunächst für Paare, die von einer Sexualtherapeutin vermittelt werden. Doch die anregende Wirkung des Menüs spricht sich rum und die Kundschaft wird immer wichtiger und einflussreicher, aber - zu Maravans Leidwesen - hat sie auch immer weniger Moral...

Die Geschichte, die Martin Suter in Der Koch erzählt, ist durchdacht und handwerklich toll geschrieben. Man kann sich genau vorstellen, wie es bei Maravan aussieht, wie gerne und inbrünstig er kocht und auch was Andrea, Makeda oder der unsägliche Dalmann für Persönlichkeiten sind. Auch der Bürgerkrieg in Sri Lanka, die Probleme, die Asylbewerbe in der Schweiz (und vermutlich nicht nur dort) haben, die finsteren Deals der Waffenschieber werden anschaulich und eindringlich erzählt. Dennoch konnte mich Der Koch nicht so packen, wie es Small World (Amazon-Partnerlink*) oder Die dunkle Seite des Mondes (Amazon-Partnerlink*) getan haben. Irgendwie waren mir die Charaktere diese Mal zu glatt und die Handlung erschien mir arg konstruiert: Als hätte der Autor sich gesagt, man nehme ein Handwerk, das polarisiert (= das Kochen), hübsche Frauen (= Andrea, Makeda und Sadana), finstere Gestalten (= Dalmann, seine halbseidenen Kontakte und Makedas Milieu), ein politisch brisantes Thema aus dem Inland (= Asyl und Asylpolitik in der Schweiz), ein weiteres politisch brisantes Thema, welches den westlichen Nationen ziemlich fern war (= der Bürgerkrieg in Sri Lanka) und einen Clou (= der wird natürlich nicht verraten) und schon ist der Erfolg des Buches gesichert.

Vielleicht tue ich Martin Suter ja Unrecht und das Buch ist ganz anders entstanden. Der oben geschilderte Eindruck blieb mir aber über das Lesen hinaus präsent. Einen sonstigen, eher positiven Nachhalleffekt hat das Buch leider nicht bewirken können. Aus diesem Grund bekommt Der Koch nur eine mäßige Bewertung. Diese fällt allerdings um einen halben Stern positiver aus, weil ich die Idee, die genannten Menüs zum Nachkochen abzudrucken, sehr schön finde - auch wenn ich sicher nicht anfangen werde, anregende Eislutscher aus Lakritz, Honig und Ghee zu zaubern...

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