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29.

Jan 2012

~ND

Warm Bodies / Mein fahler Freund

R hat so gut wie alles aus seinem alten Leben vergessen. Er trägt einen Anzug und Krawatte, vielleicht war er ein Geschäftsmann. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht hat sein Name mit einem R angefangen. Er weiß nicht einmal mehr, wie alt er ist.
Seit er ein Zombie ist, hat R quasi keine Identität mehr. Doch im Gegensatz zu den meisten seiner Artgenossen, deren Gedanken sich in der Regel hauptsächlich um Fressen und Stöhnen zu drehen scheinen, ist R sehr unzufrieden mit seinem Dasein. Er ist traurig, nichts mehr fühlen zu können, alles vergessen zu haben, nicht mehr lesen und kaum noch sprechen zu können. R ist ein sehr deprimierter Zombie und selbst unter Monstern ein Außenseiter.
Doch wenn es ums Fressen geht, sind alle Zombies gleich. Auch R. Der Hunger ist einfach unbezwingbar und kann nur mit Menschenfleisch gestillt werden. Besonders beliebt sind dabei die Gehirne, denn so können die Zombies für ein paar Sekunden die Gedanken ihrer Opfer erleben. Echte Erinnerungen. Bei einem solchen Beutezug passiert R aber etwas Merkwürdiges: Als er sich gerade das Gehirn eines jungen Mannes einverleibt, erlebt er die klarsten und realsten Visionen, die er jemals gesehen hat. Und fast alle drehen sich um eine schöne junge Frau. Julie. Irgendetwas in R verändert sich und als er Julie ebenfalls im Raum entdeckt, weiß er sofort, dass er sie vor den anderen Zombies beschützen muss.
Damit setzt er Entwicklungen in Gang, die die heruntergekommene Welt vielleicht für immer verändern können, sowohl für die Menschen, als auch für die Zombies.

Mit Sicherheit war Warm Bodies / Mein fahler Freund von Isaac Marion eines der merkwürdigsten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Zum einen liegt das natürlich an der ungewöhnlichen Perspektive. Die Sicht eines Zombies sorgt automatisch für ein etwas anderes Leseerlebnis. Trotz seiner blutrünstigen Seite kann man fast gar nicht anders, als R zu mögen. Er ist sehr sensibel, nachdenklich und schrecklich unglücklich. Außerdem hat er auch jede Menge sarkastischen Humor, so dass ich die meiste Zeit nicht wusste, ob mir zum lachen oder zum weinen zumute war. Ganz besonders dann, wenn er trotz seiner feingeschliffenen Gedanken einfach keinen anständigen Satz formulieren konnte. Er ist fremdartig und gleichzeitig aber auch so vertraut, dass man sich leicht mit R identifizieren konnte.
An sich ist die Geschichte von der Handlung her relativ knapp. Sehr viel spielt sich in Rs Kopf ab, was zwar jede Menge Monologe bedeutet, zum Glück wurden sie aber nie langweilig. Dafür ist R als Charakter einfach zu interessant und unterhaltsam. Der Schreibstil ist elegant und poetisch, schlägt aber auch ab und zu rüdere Töne an, vor allem wenn es an die doch eher ekligeren Zombieaktivitäten geht. Der Kontrast wird noch durch die anatomischen Illustrationen aus dem Lehrbuch Gray's Anatomy unterstrichen, die immer wieder eingefügt sind.

Auch die Richtung, in die sich das Buch entwickelt, ist nicht unbedingt das, was man bei einem Roman über Zombies erwartet. Denn es ist nunmal auch eine Liebesgeschichte (wer genau hinschaut wird sogar Anlehnungen an einen bekannten Klassiker entdecken), bei der man allerdings bis zum Ende nicht so genau weiß, wohin das eigentlich führen soll. Da liegt auch eines meiner zwei Probleme mit Warm Bodies / Mein fahler Freund. Denn das Ende ist doch sehr schnell und knapp geraten. Es blieben ein paar kleinere (und größere) Fragen offen, auf die ich gerne noch Antworten bekommen hätte, um das Buch komplett zufrieden zuschlagen zu können. Ob das jetzt absichtlich so ist, oder ob sich der Autor noch ein Türchen für eine potenzielle Fortsetzung offen lassen wollte, weiß ich nicht. Zum Glück ist es aber auch nicht so schlimm, dass man als Leser vollkommen ahnungslos zurückgelassen wird, wenn auch ein paar Details mehr schön gewesen wären.
Mein anderes Problem waren die etwas zu häufigen Ausflüge in Perrys (Julies Freund) Kopf. An sich haben auch sie mir gut gefallen; man erfährt viel über ihn selbst, Julie, die Menschheit und ein paar wirklich intensive Szenen werden dadurch ermöglicht. Dennoch hätten es nicht so viele sein müssen. Stattdessen hätte ich lieber noch mehr von R und auch Julie gehört.

Trotzdem ist Warm Bodies / Mein fahler Freund von Isaac Marion ein ungewöhnliches und sehr empfehlenswertes Buch für jeden, der mal eine etwas andere Seite auf Zombies erleben möchte. Es ist traurig und melancholisch, regt zum Nachdenken an, unterhält aber auch mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors und einem sehr ungewöhnlichen Helden. Auch wenn das Ende etwas ausführlicher sein könnte, ist Warm Bodies / Mein fahler Freund kein Buch, das ich so schnell vergessen werde.

Übrigens wird Warm Bodies / Mein fahler Freund auch bald auf der Leinwand zu sehen sein. Im Frühjahr 2013 soll die Verfilmung mit Nicholas Hoult (About a Boy, X-Men), John Malkovich (Burn after Reading, Transformers 3) und Teresa Palmer (I Am Number Four) in die Kinos kommen.

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