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24.

Aug 2012

~nia

The House of Special Purpose / Das Haus zur besonderen Verwendung

Russland 1915. Der 16-jährige Georgi verhindert in dem kleinen und armen Dorf Kaschin ein Attentat - an niemand geringerem als dem Neffen des Zaren. Zum Dank schickt ihn dieser an den Hof des Zaren in Sankt Petersburg, wo er zum Leibwächter des jungen Thronfolgers Alexei ausgebildet werden soll. Bei seinem Dienst im Winterpalais lernt Georgi nicht nur unermesslichen Reichtum sondern auch die Zarenfamilie sehr gut kennen. Neben dem 11-jährigen Zarewitsch Alexei hat es ihm besonders die jüngste Zarentochter Anastasia angetan. Georgi hat sich heiß und innig in sie verliebt und zu seinem großen Glück erwidert Anastasia seine Gefühle. Dabei ist beiden klar, dass ihre Liebe eigentlich keine Zukunft hat.
Hinzu kommt, dass die politische Situation für den Zaren, seine Familie und den russischen Adel insgesamt immer schwieriger wird. Zwei Jahre später ist es soweit: der erste Weltkrieg läuft schlecht für Russland, sodass im Februar 1917 die Bolschewisten die Macht ergreifen und den Zar zur Abdankung zwingen. Nachdem die neue Staatsmacht den Zar und seine Familie an mehreren Orten in Russland festsetzt, werden sie in der Nacht zum 17. Juli 1918 in Jekaterinburg ermordet.

John Boynes Roman The House of Special Purpose / Das Haus zur besonderen Verwendung greift den Mythos* um Anastasia Romanov auf, von der es heißt, sie sei damals der Ermordung durch die Bolschewisten entgangen. In zwei Handlungssträngen begleitet der Leser Georgi und Anastasia: In jungen Jahren in Russland und nach der Flucht durch ihr Leben, welches sie über Paris nach London führt. Das Buch ist spannend, detailreich und wunderschön geschrieben. Dies ist erst mein zweites Buch von John Boyne, dennoch kann ich schon sagen, dass diese wunderbare Sprache ein typisches Kennzeichen eines Boynes ist.

Doch mich hat auch einiges an The House of Special Purpose / Das Haus zur besonderen Verwendung gestört:
Insbesondere mit den frühen Passagen von Georgi und Anastasie in Russland hatte ich zu kämpfen - einfach weil ich sie beide, insbesondere Georgi unsympathisch fand. Er ist zwar noch jung, weshalb man sein Verhalten bis zu einem gewissen Grad entschuldigen kann. Doch es gibt Stellen, da ist er so egoistisch und gemein zu Menschen, die ihm eigentlich etwas bedeuten, dass ich das Buch immer wieder weg legen musste, bis ich mich mit seinen Taten arrangiert hatte.
Ebenfalls nicht ganz nachvollziehen konnte ich häufig das Verhalten der älteren Anastasia. Nach der Flucht nimmt sie den Namen Soja an, das russische Pendant für das altgriechische Zoe, was 'Leben' bedeutet. Doch der Name ist nur Schall und Rauch - Soja ist extrem traumatisiert und macht sich und Georgi das Leben einfach nur schwer. Unter anderem gibt sie sich selbst die Schuld an allen schlechten Dingen, die ihr und ihren Lieben zustoßen - und da passiert doch einiges. Anfangs konnte ich mir manche ihrer Gedankengänge noch zusammenreimen, aber je weiter das Buch voranschreitet, desto aberwitziger werde die Dinge, für die sich Soja verantwortlich fühlt. Vielleicht mangelt es mir auch einfach an Einfühlungsvermögen und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand der den Mord an seiner ganzen Familie mit eigenen Augen erlebt hat, so wird. Insgesamt habe ich The House of Special Purpose / Das Haus zur besonderen Verwendung von John Boyne trotz Pausen doch gerne und sogar relativ schnell gelesen. Das lag an der wirklich tollen Sprache und dem spannenden Aufbau. Aufgrund der zahlreichen Kritikpunkte reicht es aber trotzdem nur für eine mäßige Bewertung.

* Wirklich nur ein Mythos. Im Jahr 2007 wurde endgültig bewiesen, dass im Juli 1918 alle sieben Romanows (Nikolaus II, Alexandra, Olga, Tatjana, Maria, Anastasia und Alexei) ermordet wurden. Zwei der Leichen wurden verbrannt und getrennt von den übrigen vergraben. Verschiedene Frauen aus England, Polen und Russland haben sich später als Anastasia ausgegeben.

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