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26.

Dec 2010

~nia

Muslim Girls

Tags: Leben, Sachbuch

Sineb El Masrar erzählt in Muslim Girls, welchen Vorurteilen deutsche Frauen muslimischen Glaubens durch ihre Religion und ihren Migrationhintergrund immer noch ausgesetzt sind. Dabei ist ihr prägnantestes Stilmittel der Humor, der oft auch mit Ironie gespickt, viele kenntnisreiche und interessante Details präsentiert und dem in der deutschen Gesellschaft vorherrschenden Halbwissen über Moslems und Islam den Kampf angesagt hat.

Schnell wird dem Leser klar, dass deutsche Muslimas und in Deutschland lebende Moslems genauso heterogen und vielfältig sind wie Menschen anderer Religionsgemeinschaften oder sonstige Gruppierungen in einem Land. Es gibt Frauen, die Kopftücher tragen, welche, die die traditionellen Überwürfe Namens Tschador, Niqab und Hidschab anziehen und solche, die sich überhaupt nicht bedecken (von Kleidung mal abgesehen).
Eine kleine Randbemerkung, die die Autorin in ihrem Werk ausführlicher darstellt: Die Burka, der blaue Überwurf mit Gitternetz vor den Augen, hat einzig im Hindukusch (Afghanistan und Pakistan) Tradition – ein sogenanntes 'Burkaverbot' ist in Europa also sinnlos. Mit den entsprechenden Gesetzen sind die oben aufgeführten Methoden zur Ganzkörperverhüllung gemeint.

Sineb El Masrar beleuchtet in ihrem Buch auch den Ursprung der Migranten, die zu Wirtschaftswunderzeiten in den 60er Jahre ausdrücklich nach Deutschland eingeladen wurden. Viele Menschen in diesem Land sind sich beispielsweise nicht bewusst, dass es sich bei den muslimischen Migranten nicht nur um Türken handelte, sondern auch um Marokkaner, um Iraner oder um Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und den Balkangebieten. Der größte Teil aller Zuwanderer hierzulande kommt (unabhängig von der Religion) aus Russland und den ehemals zur UDSSR gehörenden Ländern.

Inzwischen wächst oft schon die dritte oder sogar vierte Generation heran, die - bis auf die ursprünglichen Einwanderer - alle hier geboren und aufgewachsen sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Besuch im Heimatland der Vorfahren während der etwa 6 Wochen Urlaub im Jahr Pflicht ist, ist es recht logisch, dass sich der Lebensmittelpunkt all dieser Muslim Girls in Deutschland befindet.

Natürlich behandelt das Buch auch die Themen Ehrenmord und Unterdrückung der Frau im Islam, die Probleme, vor die Kinder mit Migrationshintergrund in unserem Bildungs- und Schulsystem oft noch gestellt werden oder sonstige Vorurteile, die in deutschen Köpfen zum Thema zu finden sind. Gleichzeitig werden aber auch positive Aspekte genannt: etwa die kreativen und modernen Frauen, die entweder persönlich oder über ihre Ideen der deutschen Öffentlichkeit ein Begriff sind – beispielsweise Aygül Özkan, Nazan Eckes, Senna Gamour oder Nina Öger.

Muslim Girls ist ein sehr interessantes Buch über muslimische Frauen in Deutschland und deutsche Muslimas. Mit viel Sprachwitz und plastischen Beschreibungen verpackt die Autorin das nicht ganz einfache Thema in einem prima lesbaren und unterhaltsamen Werk. Einzig die häufigen Wiederholungen von Vorurteilen und deren Widerlegungen sind mir manchmal negativ aufgefallen. Stattdessen hätte Sineb El Masrar dem sich um sachgerechte Information bemühten Leser genug Toleranz und Offenheit zusprechen können. Insgesamt ist Muslim Girls aber ein sehr unterhaltsames Sachbuch, ohne in irgendeiner Weise trocken, langweilig oder einseitig zu sein.

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Kommentare

Ein Kommentar auf der Seite.

MJ schrieb am 17.02.2010 12:14:36:

Das klingt wirklich interessant. Ich bin ja kein großer Sachbuchleser, aber sowohl das Thema als auch die Herangehensweise klingen spannend!

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